© Karlheinz Heiss
Leserbriefe
Schwäbisches Tagblatt, 3. Januar 2023
Wir alle haben unsere blinden Flecken. Es gibt Dinge, die wollen wir
partout nicht sehen, weil sie uns unangenehm sind oder einfach nicht
ins Bild der betrachteten Sache passen. Bei der Lokalpresse, die mir
ein Forum gibt, darüber zu schreiben, merke ich das als Beobachter
der Katholischen Kirche und ihres Umgangs mit der
Missbrauchsthematik besonders.
Im Laufe der nun schon zwölfjährigen bischöflicherseits „gehemmten“
Aufarbeitung waren es minimal wenig Zeilen, die dem TAGBLATT zu
diesem Thema einfiel. Dabei wäre eine mediale Begleitung der
Debatte und der Anstrengungen der Katholischen Kirche elementar
wichtig, um Transparenz herzustellen.
„Ohne Medien gibt es keine Aufarbeitung“ – beschreibt die Grenzen
der Aufarbeitung durch die Institutionen selbst. „Aufarbeitung ohne
Medien geht nicht“ nimmt die Presse in die Pflicht. Der Auftrag an das
TAGBLATT ist da, und wenn die Redakteurinnen und Redakteure ihn
nicht annehmen, dann machen sie sich mitschuldig, dass Taten und
Täter unentdeckt bleiben und eine wie auch immer geartete
Gerechtigkeit für die Betroffenen nicht stattfinden kann. Gerne geht
die Presse mit dem Titel „vierte Gewalt“ hausieren. Blinde Flecken
kann und darf es da nicht geben!
Schwäbisches Tagblatt
Aus der Untersuchung „Journalistische Verantwortungsethik und
sexueller Missbrauch“ - das sagen Betroffene: Medien sind
einflussreich – gerade im Hinblick darauf, dass Betroffene von der
Kirche wahrgenommen werden; und: Lokalmedien sind mit
kirchlichen Strukturen verflochten.
Positiv überrascht hat mich neulich das Interview mit dem
Vorsitzenden des Betroffenenbeirats. Eine ganze Seite in der
Rottenburger Post, Chapeau. Trotzdem unterstütze ich die Aussage
der Betroffenen: Lokalmedien haben aufgrund ihrer Verflechtung
mit Kirche offensichtlich eine massive Beißhemmung. Beweis: Die
Presse zeigt kein Interesse, Ergebnisse der
Aufarbeitungskommission der Diözese zu veröffentlichen: Bischof
Leiprecht ist verantwortlich für „Versuche der Beeinflussung
justiziellen Vorgehens“. Falsche Zeugen? Bestechung?
Aktenvernichtung? Außerdem ist er verantwortlich für
Überlegungen, die Presse zu beeinflussen. Und: Täter wurden
geschützt, Betroffene waren lästig. Veröffentlicht am 10. März,
niemand schreibt was! Sind Lokalmedien mit kirchlichen Strukturen
verflochten? Ja, so eng, dass sie schweigen. Und ihrer
journalistischen Verantwortung nicht nachkommen. Bitter für
Betroffene! Und nicht nur für sie.
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k-punkt-rottenburg.de