© Karlheinz Heiss
NORMEN zur Regelung von Einsichts- und Auskunftsrechten für die
Kommission zurAufarbeitung von sexuellem Missbrauch
Minderjähriger und schutz- oderhilfebedürftiger Erwachsener in
Bezug auf Personalaktendaten von Klerikern undKirchenbeamten der
Diözese Rottenburg-Stuttgart
Auskünfte und Akteneinsicht
(1) Die Übermittlung personenbezogener Daten in Akten ohne Einwilligung
des Bediensteten an die bischöflichen Kommissionen zur Aufarbeitung von
sexuellem Missbrauch ist zulässig, soweit
1. dies für die Durchführung der Aufarbeitung notwendig ist,
2. eine Nutzung anonymisierter Daten zu diesem Zweck nicht möglich oder
die Anonymisierung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden
ist,
3. das kirchliche Interesse an der Aufarbeitung das schutzwürdige Interesse
des Bediensteten erheblich überwiegt und
4. der Diözesanbischof oder die von ihm bestimmte verantwortliche Person
die Erlaubnis hierzu erteilt hat.
Manchmal reicht der Blick auf das „Original“
Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort
Wir müssen sofort handeln
Kommission oder Gutachten –
Was hilft dem Rückgewinn von Glaubwürdigkeit?
Der Geist weht nicht nur wo er will…
manchmal wird er auch hintergangen
„Ich als Bischof
und die Verantwortlichen in der Diözesanleitung“
Im Fastenbrief unseres Bischofs Dr. Fürst, datiert auf den 2. Februar 2022,
am 5. März 2022 veröffentlicht, bin ich auf eine Aussage gestoßen, die mich
sehr nachdenklich werden ließ:
Unsere Kirche ist in ihrer Existenz gefährdet.
Nicht die Aussage an und für sich, deren Inhalt und Dramatik ich nicht teile,
ist es, sondern das „unsere“. Wessen Kirche meint der Bischof, wenn er von
unserer Kirche spricht? Meint er nicht vielmehr seine, die Kirche der Kleriker,
die durch den Missbrauchsskandal „angezählt“ ist? Meine Kirche, die
Gemeinschaft der Gläubigen, sie kann in ihrer Existenz nicht gefährdet sein,
weil es die Menschen sind, die diese Kirche ausmacht. Die Existenz der
Führung ist bedroht, das künftige Wirken angefragt, ihre Notwendigkeit
überhaupt und die Verknüpfung mit einem Geschlecht (männlich) und einer
Lebensform (zölibatär) infrage gestellt.
Ist diese Unterscheidung statthaft? Ich denke schon, weil sie der Bischof
selbst vornimmt. Er schreibt, dass die Mitwirkung der Laien gestärkt werden
müssen. Das beinhaltet die innerliche Trennung zwischen Klerus und Laien:
hier Hirten, dort Schafe. Künftig sollen Frauen auch Teil des Klerus werden,
denn nichts anderes ist die von Dr. Fürst unterstützte Forderung nach
Diakoninnen. Ich stimme hier inhaltlich vollkommen zu, kann aber die
Weigerung, Frauen zu Priesterinnen zu weihen, nicht nachvollziehen.
Spannend ist die Aussage, dass wir (damit meint er wohl die Menschen, die
sich zum Synodalen Weg versammeln) Formen und Zeichen finden müssen,
dass „alle Menschen spüren, dass sie angenommen sind von Gott und der
Kirche Jesu Christi – in ihrer leib-seelischen Identität, ihrer sexuellen
Orientierung und in ihrer Liebe füreinander.“ Unter dieses „wir“ will ich mich
nicht einreihen, und es sollten auch die Laienvertreter:innen des Synodalen
Wegs nicht. Die Ausgrenzung, die hier angesprochen wird, ist im
Katechismus nachzulesen und eine direkte Folge einer über Jahrhunderte
propagierten Sexualmoral. Mit allen Mitteln wurde deren Norm umgesetzt,
ohne zu beachten, ob damit Menschen in den seelischen und
gesellschaftlichen Ruin getrieben werden. Dafür müssen diejenigen
geradestehen, die der Menschheit diesen Jammer beschert haben. Nicht wir
- wir Schafe, sondern „ihr“ - ihr Hirten auf den oberen Stufen des
Hochaltars.
Bischof Dr. Fürst schreibt weiter: „Als Bischof stelle ich mich der
Verantwortung.“, um dann gleich wieder in ein „wir“ zu gehen: „Mit Ihnen
zusammen möchte ich mich für die nachhaltige Erneuerung der Kirche
einsetzen.“ Es sind nicht „wir“, die er damit meint, insbesondere nicht
diejenigen, die das Agieren in der Missbrauchsgeschichte kritisch begleiten,
sondern diejenigen, die als „die Getreuen“ gelten. Ein Blick auf die beiden
Kommissionen, die der Bischof ebenfalls erwähnt, macht es deutlich.
Natürlich wird noch einmal die Mär von den „unabhängig arbeitenden“ und
„weisungsunabhängigen“ Kommissionen bemüht, das glaubt ihm niemand
mehr. Wer eine Kommission nach eigenem Gutdünken zusammenstellt, den
Zugang zu den Akten kontrolliert und dann Unabhängigkeit proklamiert,
der, sagen wir es einmal vorsichtig, der deutet das Wort „unabhängig“
kreativ anders als ich.
Ein kleiner Nachklapp: Nach der großen Presseinitiative, die die Einrichtung
der Aufarbeitungskommission angekündigt hatte, fällt der Verweis im
Hirtenbrief sehr sparsam aus: „Alle Fälle sexuellen Missbrauchs wurden und
werden durch ein vom Bischof weisungsunabhängig arbeitendes Gremium
aufgeklärt.“ Ist hier schon die Einsicht am Werk, besser nicht so sehr in die
Öffentlichkeit zu gehen, weil dann die Unglaubwürdigkeit noch deutlicher
wird? „Ich als Bischof und die Verantwortlichen in der Diözesanleitung“,
so bezeichnet Bischof Dr. Fürst die „Player“ in der Diözese.
Manchmal ist es besser, nicht in einen Verantwortungsraum mit
hineingezogen zu werden, den ein Einzelner diktiert. Einen Schritt
zurückzugehen heißt besser sehen. Und die Perspektive zu wechseln neue
Erkenntnisse bekommen.
7.3.2022