© Karlheinz Heiss
Vortrag:
Missbrauch in der Katholischen Kirche
Inhalte des Vortrags:
Aggression und Sexualität gehören zu den wichtigsten
Trieben des Menschen. So notwendig sie sind, können sie
gleichzeitig enorme Schäden anrichten, wenn der Verstand
als Regulativ außer Kraft gesetzt ist. Das Ausleben der
Aggressivität ohne Einverständnis durch das Gegenüber wird
als Gewalt wahrgenommen, aus dem Ausleben der Sexualität
ohne Einverständnis wird sexueller Missbrauch.
Besonders anfällig für das missbräuchliche Ausleben von
Aggression und Sexualität sind Systeme, die nicht
gleichberechtigt sind, sondern von Abhängigkeiten, von
einem Gefälle von Macht und Ohnmacht geprägt sind.
Die Leiden der Betroffenen sind in den Krankheitsstatistiken
dokumentiert. Selbstverletzung und Suizidversuche sind bei
Betroffenen überdurchschnittlich hoch, aber auch
Herzinfarkte, Bluthochdruck und Krebs.
Missbrauch ist ein Tabuthema, Betroffene schweigen, weil
sie die positiven Seiten des Zusammenlebens nicht aufs Spiel
setzen wollen (Zerbrechen der Familie, Angst vor
Heimeinweisung), sie fürchten die gesellschaftliche
Stigmatisierung und erleben eine Offenlegung oft als
Katastrophe. Die Täter:innen versuchen sich einer besonderen
Entschuldungsstrategie: „wer sich so anzieht, muss sich
nicht wundern“ mag als Beispiel dienen.
Im Bereich der Institutionen fällt auf den Umgang der
Katholischen Kirche mit Missbrauchsvorwürfen gegen Priester
ein besonders bitteres Licht. Vertuschung, Verschickung von
Tätern, das Unterdrucksetzen von Betroffenen seien genannt.
Schließlich in der vermeintlichen Aufarbeitung das
Instrumentalisieren der Betroffenen und -beiräte.
Wer Systeme erkennt und die Mechanismen benennen kann,
kann auch darüber sprechen. Und das ist der eigentliche
Zielpunkt des Vortrags: das Gespräch und die Enttabuisierung
des Themas. Denn damit werden auch die Abwehrstrategien
des Systems ausgehebelt: Missbrauch ist keine „vergangene“
Sache, eine Marginalisierung ist ebenso wenig angebracht wie
die Negation der Zuständigkeit. Und schließlich muss auch an
die gewaltige Präventionsleistung ein dickes Fragezeichen
gemacht werden, wenn sie als Alibifunktion gegen eine
transparente Aufarbeitung eingesetzt wird.
Wer schweigt, stärkt Täterstrukturen, das heißt: Unrecht
benennen und die Schweigegebote brechen.